Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder

Eine kurze Geschichte zum Buch: Als ich mit 17 meine Freundin Anonyma in der Schule kennenlernte, habe ich mir nicht träumen lassen, dass ich 38 Jahre später ein Buch ankündige, das die Sozialarbeiterin, die für sie zuständig war, gerne gelesen hätte. Oder das ich hätte lesen wollen, als ich so jung war. 

Als Schülerin war ich noch ziemlich blauäugig, was das Thema missbrauchte Kinder angeht. Ich wusste gar nichts. Die Freundschaft mit Anonyma hat mich in Kontakt mit dem Thema gebracht. Sie hat mir Sachen erzählt, die für meine Ohren schräg geklungen haben. Klar habe ich gehört, was sie sagt. Und doch habe ich nur mehr wie durch einen Filter wahrgenommen, dass hier ein Schmerz liegt, der für mich unvorstellbar ist, und den ich nicht wirklich fassen kann. 

In den Sommerferien trampten wir zusammen nach England über’s Meer. Wir schliefen im Gestrüpp bei den Klippen von Lands End – im kleinsten Zelt der Welt. Die Schnecken krochen über alles, was wir hatten.

Wir übernachteten im Stroh auf dem Viehmarkt von Llandeilo bei Fairfach in Wales. Wir wanderten lange Strecken durch den Regen im Snowdonia National Park, und wir schwammen unter dem eisigen Wasserfall eines seiner breiten Bergbäche.

Auf der Rückreise waren wir blinde Passagiere an Bord eines Frachters – das war ein richtiges Abenteuer. Ich erinnere mich an die Koje unter Deck, die ein mitfühlender LKW-Fahrer uns überlassen hatte.

Ich konnte den fremden Mann nur halb gut einschätzen, und ich sehe mich im Rückblick vor mir, wie ich die ganze Nacht wach in der Kabine sitze – bei der Nische, wo meine Freundin schläft. Oder am Bullauge, wo ich den Blick in die dunkle Nacht wende und dort schweifen lasse, bis es dämmert und der Horizont wieder zu erkennen ist.

Was genau mir Anonyma von ihren Missbrauchs-Erfahrungen erzählt hat, spielt keine Rolle. Ich habe damals gelernt zuzuhören.

Und die zweite Sache für meine spätere Arbeit – dass Missbraucher nicht aufhören. Dass es wichtig sein kann, Jahrzehnte später gegen einen Mann auszusagen, den man kennt, damit die Stimmen von den 20 Kindern, die er verletzt hat, zusammen eine wahre Aussage ergeben und ihn zur Strecke bringen. Weil dann hoffentlich andere Kinder vor ihm sicher sind.

Meistens sind wir ja erst im Nachhinein schlau. Heute denke ich, dass ich in meinem Leben besonders gründlich über sichere Hilfe für missbrauchte Kinder nachgedacht habe, weil mir diese Freundin am Herzen lag. Weil wir so eng verbunden waren. Weil wir zusammen übers Meer gefahren sind.

Ich wollte da etwas verstehen, das ich nicht sehen konnte, und das ich von da aus in mein ganzes Leben mitgenommen habe. Etwas, das scheinbar unsichtbar war und für das es keine Worte gab. In einem Buch, an dem ich lange geschrieben habe, wollte ich etwas davon in die Sprache bringen. So gut ich kann.

Und meine Freundin Dagmar Klink hat mir dabei geholfen. Wir haben einen Rahmen gesteckt – um verschiedene Erfahrungen mit Traumafolgen herum. Und diesen Rahmen möchte ich mit dir teilen.

Noch etwas mehr über das Buch

Dagmar und ich haben andere Dinge gemeinsam als Anonyma und ich. Wir teilen – neben psychologischem, sozialen und therapeutischem Wissen – die Erfahrung, eine Frau zu sein. Deshalb kennen wir Angriffe auf die Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen, die für viele Männer fremd sind.

Aber darum geht es kein bisschen in diesem Buch.

Es geht viel mehr um Lösungen und um neue Hilfen, die Kindern vorenthalten werden.
Aus Unwissenheit. Und aus der sicheren Distanz vom Schreibtisch aus.

Das erwartet dich im Buch

Im Buch „Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder“ findest du Inspiration und Lebenshilfe, Know-How über die Folgen sexueller Gewalt und für den Umgang mit missbrauchten Kindern und Jugendlichen.

Es zeigt auf, wie du mehr Sicherheit in Krisen und im alltäglichen Umgang mit missbrauchten Kindern gewinnst und hilft, die natürliche Entwicklung der Kinder wieder aufzunehmen, auch wenn etwas Schlimmes geschehen ist. 

Ein Vorteil: das Buch ist gut zu lesen mit vielen Beispielen, die die Wende zum Guten beschreiben.

Andrea Brummack und Dagmar Klink stellen Geschichten und Fallberichte von Kindern vor, die ihren Weg aus gefährlichen Ereignissen und Konflikten gefunden haben, sowie praktische Tipps und Prinzipien, um sexuelle Traumata zu lösen.


Über die Autorin

Autorin Andrea Brummack

Andrea Brummack ist Sachverständige in Fragen sexueller Gewalt und freie Kinderschutzbeauftragte. Sie hilft Menschen, sexuelle Übergriffe zu bewältigen.

Ihr Buch „Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder. Was hilft und was heilt.“ ist beim Springer-Verlag Berlin Heidelberg erschienen. Sie lebt mit ihrer Katze derzeit in einem Dorf bei Stuttgart, glaubt an die tägliche Portion Stille und liebt gut gemachte Krimis, in denen die Bösen ihr Fett ab kriegen. Ohne Glitzer.

„Meine Vision ist eine neue Generation von sozialen Fachkräften, die leicht mit sexuellem Missbrauch umgehen. Ich wünsche mir lebendige Beziehungen im Kinderschutz. Und ich verstehe, dass sozialpädagogische Fachkräfte ihre Arbeit lieben – auch wenn der Stress gewaltig ist. Weil da diese Kinder sind. Diese kleinen, unverfälschten Menschen.“