Hilfe für Kinder nach Gewalt in der Familie
Einblick in die Tonfeld-Therapie: Im Frauenhaus Zollernalbkreis wird für Kinder, die dort leben, Tonfeld-Therapie angeboten. Die engagierten Sozialarbeiterinnen im Team sind für jede Spende dankbar – denn das Angebot hat keine sichere Finanzierung.
Eine Gruppe beherzter Frauen spendete im Frühjahr 2022 für 6 Mädchen und Jungen 9 Sitzungen. Das Lebensalter der Kinder lag zwischen 3 und 7 Jahren. Das Angebot fand einmal wöchentlich statt.
Gewaltfreie Kindheit – nicht selbstverständlich
Im Frauenhaus gehört es zum Alltag, mit den Folgen von Gewalt zu leben. Angst und Albträume sind stetige Gäste. Wichtige Elemente wie Halt und Orientierung sind verloren. Deshalb geht es in der Tonfeld-Therapie oft um Vertrauen.
Es geht darum, Bindung zu reorganisieren, sich zu erholen, zur Ruhe zu kommen und Traumafolgen abzustreifen. Die eigene Geschichte wird in therapeutischen Bildern neu erzählt. Eingekörperte Traumafolgen lösen sich.
Tonfeld-Therapie
Zum Tonfeld-Setting gehören ein stabiler Tisch, zwei Stühle, das Tonfeld und auch eine Schüssel mit Wasser, therapeutische Arbeitsmittel wie Spielfiguren, kleine Behältnisse und Schwämme für Wasserspiele.
Kinder und Jugendliche lieben Bewegung und Spiel, sie kommen direkt zur Sache. Sie lassen sich ein, sie bauen und gestalten … und das kann sehr unterschiedlich aussehen.
Gewaltfolgen rauben Kindern Möglichkeiten für die Zukunft
Wir erleben verängstigte oder erstarrte oder verstummte Kinder, die mit Sprachproblemen ringen, Kinder, die viel und untröstlich weinen, Kinder, die aus Sorge um ihre Mutter ihre Entwicklung aufgegeben haben, Kinder, die ihre Schulfähigkeit nicht aufnehmen können und die ihre Bedürfnisse insgesamt zurückstellen oder Kinder, die selbst zu Tätern werden.
Auch Kinder, die eine antisoziale Tendenz, eine Fassade oder ein falsches Selbst ausbilden, reagieren so auf die Gewalt, die sie erlebt oder miterlebt haben. Oder sie schließen sich zusammen zu einer Gemeinschaft der verlorenen Kinder, für die alle Erwachsenen ihre Erziehungs-Berechtigung eingebüßt haben.
Soziale Perspektiven für kleine Kinder
Über die Hand-Auge-Hirn-Achse können Kinder neue Handlungs- und Beziehungsmuster ausbilden, ohne auf Worte angewiesen zu sein. Jede einzelne Sitzung schließt ein Thema ab, mit therapeutischem Gewinn.
Eine Besonderheit in der Zeit, über die ich berichte, ist, dass sehr stille Kinder teilgenommen haben. Sanfte stille Kinder – und weniger sanfte Kinder, deren Sprachproblem von Aggressivität oder von Brüchen (Unterbrechungen im Sprachfluss und im Denken) begleitet war.
Wir erlebten mit, wie Kinder aus der Erstarrung kamen, wie sie jetzt auf die eine oder andere Weise in die Sprache finden, Vertrauen fassen, lachen und entspannen können.
In der Schule gut mitkommen – nur mit einer Handlungs-Basis
Für kleine Kinder bereitet die Gestaltungsfähigkeit die Schulfähigkeit vor. „Ver-rückte“ Gestaltungen, bei denen die Bilder nicht zusammenpassen, zeigen die Belastung und gelten als Traumafolge – und sie sind ein Hinweis auf Wahrnehmungsstörungen.
Aus diesem Chaos heraus zu finden ist für eine gute soziale Prognose unabdingbar. Die 6 Kinder hatten alle mit diesem Thema zu tun. Es ist eine schöne Erfahrung, sie auf dem Weg aus dieser Not zu begleiten, denn traumatisierte Kinder haben in der Schule meistens keinen guten Platz.
Über die Autorin
Andrea Brummack ist Kunst- und Tonfeldtherapeutin, freie Sachverständige in Fragen sexueller Gewalt und Kinderschutzbeauftragte. Sie hilft Menschen, sexuelle Übergriffe zu bewältigen – auf der Basis nonverbalen Methoden.
Ihr Buch „Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder. Was hilft und was heilt.“ ist beim Springer-Verlag Berlin Heidelberg erschienen. Sie lebt mit ihrer Katze derzeit in einem Dorf bei Stuttgart, glaubt an die tägliche Portion Stille und liebt gut gemachte Krimis, in denen die Bösen ihr Fett ab kriegen. Ohne Glitzer.
„Meine Vision ist eine neue Generation von sozialen Fachkräften, die leicht mit sexuellem Missbrauch umgehen. Ich wünsche mir lebendige Beziehungen im Kinderschutz. Und ich verstehe, dass sozialpädagogische Fachkräfte ihre Arbeit lieben – auch wenn der Stress gewaltig ist. Weil da diese Kinder sind. Diese kleinen, unverfälschten Menschen.“