Wie du noch heute etwas tun kannst, damit Kinder sexuelle Übergriffe gut verarbeiten
Missbraucht – was heißt das eigentlich?
Wenn wir das Wort „Missbrauch“ hören, denken wir an unfassbares Leid und ein Leben mit Narben. Doch was viele nicht wissen: Es gibt Wege, wie Kinder nach sexuellen Übergriffen wieder Vertrauen und Sicherheit finden – Wege, die Eltern, Angehörige und Fachkräfte aktiv mitgestalten können, damit Kinder sexuelle Traumata gut verarbeiten. Ich schreibe darüber in meinem Buch Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder. In diesem Artikel gebe ich dir einen Überblick über die wichtigsten Möglichkeiten, die du hast.
Jedes Kind, das sexuelle Gewalt erlebt hat, trägt eine Geschichte in sich, die geheilt werden möchte. Wie können wir als Erwachsene sicherstellen, dass Kinder nicht nur überleben, sondern auch einen Weg finden, die Schrecken hinter sich zu lassen?
Du erfährst hier, was du noch heute tun kannst, um Kindern zu helfen, ihre traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten.
Warum Kinder nach sexuellen Übergriffen unsere Hilfe brauchen
1. Auswirkungen von sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche
Was passiert in einem Kinderleben nach sexueller oder sexualisierter Gewalt?
Neben langfristigen körperlichen Schäden können wir auch gravierende psychische und emotionale Auswirkungen erwarten. Körperliche Schmerzen, Narben und Organschäden gehen oft mit psychosomatischen Beschwerden, Spannungszuständen und sensorischen oder motorischen Störungen einher. Das Körpergefühl kann zerstört sein – auf mehreren Ebenen.
Viele leiden psychisch, sie fühlen sich wertlos, sie fühlen sich schuldig oder sie schämen sich. Das hat negative Folgen für ihr Selbstbild und ihre Bindungen. Anhaltender Stress und ungewollt sich aufdrängende Erinnerungen (Flashbacks) sind ebenfalls Folgen: Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Emotional verlieren betroffene Kinder oft das Vertrauen in sich selbst, in andere und in die Zukunft. Sie fühlen sich stigmatisiert und entwickeln destruktive Strategien mit langfristigen Auswirkungen. Neurologische Schäden können plötzlich infrage stellen, ob ein Kind je wieder in der Schule mithalten kann. Auch die Arbeitsfähigkeit kann zerbrechen und dann für immer fehlen – vollständig oder in Teilen.
Das verstärkt die Isolation der Kinder und vertieft Gefühle der Hilflosigkeit. Darüber hinaus orientieren sie sich noch stärker an den Vorgaben von Täterpersonen. Wenn andere Ansprechpersonen fehlen, wenn es unmöglich wurde, jemandem zu vertrauen, wenn die Sprache verloren ging (neurobiologisch bedingt durch den traumatischen Schock) wenn die Angst vor Konsequenzen dazu kommt, dann halten diese Faktoren Kinder davon ab, sich mitzuteilen. Auch die innere Überzeugung, selbst verantwortlich zu sein, wird verhindern, dass jemand über erlebte sexuelle Übergriffe spricht.
Wie sehen die Folgen aus?
Die Schädigungen werden umso schwerer wiegen,
- je größer der Altersunterschied des Kindes zur Täterperson ist,
- je größer die verwandtschaftliche Nähe ist,
- je länger Missbrauch andauert,
- je jünger das Kind zu Beginn des Missbrauchs ist,
- je öfter Gewalt angedroht und angewendet wird,
- je vollständiger die Geheimhaltung ist,
- je weniger beschützende Vertrauensbeziehungen bestehen, etwa zum beschützenden Elternteil, zu Geschwistern, Gleichaltrigen, Bystandern oder zu einer Lehrerin.
Es gibt keine Hierarchie des Leidens, und es wäre mies, die einzelnen Faktoren zu gewichten. Dennoch steht fest, dass sexueller Missbrauch ein traumatisches und lebensbestimmendes Ereignis ist.
2. Warum die Reaktionen der Erwachsenen entscheidend sind
- Kinder können sich selbst nur äußerst selten aus missbräuchlichen Situationen befreien. Sie sind sexuellem Missbrauch ausgeliefert und abhängig von Täterpersonen, die ihre Macht ausnutzen. Zudem ist ein Kind grundsätzlich auf Schutz und Unterstützung angewiesen.
- Kinder, die sexuelle Übergriffe erleben, sind oft gezielt zum Geheimhalten verpflichtet. Täterpersonen üben Druck aus, drohen, versprechen und manipulieren: „Niemand wird dir glauben.“
- Kindern fehlt die Ebene der Reflexion, um das Geschehen zu verstehen, geschweige denn, um sich wirksam zu wehren oder Hilfe zu suchen.
3. Beispiele für positive Auswirkungen von gezielter Hilfe
- Wir reorganisieren Vertrauen, Bindung und positive Perspektiven.
- Kinder finden Trost, Linderung und Heilung.
- Wir überschreiben destruktive Handlungs- und Beziehungsmuster, Ich-Pathologie und Konflikt-Pathologie.
- Spannungszustände klingen ab.
- Albträume werden weniger.
- Kinder können ihre Entwicklung aufnehmen, wo sie unterbrochen wurde, sich lebendig fühlen und Kind-sein-Dürfen nachholen.
- Schule und Kindergarten können wieder wichtig werden und der Schlaf kommt zurück.
- Selbstvertrauen und Selbstwert nehmen zu und ebenso das sichere Gefühl für den Körper.
- Halt und Orientierung können wieder aufgebaut werden.
- Erfahrungen von Selbstwirksamkeit überschreiben die erlebte Ohnmacht.
- Kinder treten aus der posttraumatischen Belastung heraus und erleben dies als extrem entlastend.
Anmerkung:
Alle belastenden Spannungen, die der kindliche Körper aushalten muss, können über den Körper entladen werden. Kinder lieben Spannung und Spiel, Bewegung und Kontakt. Sie lösen Konflikte mit körperlichen Reaktionen, besonders im Bereich der Motorik. Sie lösen ein sexuelles Trauma mit dem, was sie mit ihrem vitalen Sensor als gut erkennen. Die Spannungsabfuhr erfolgt automatisch. Sie ist an Affekte gebunden, jedoch stark mit dem Körper verknüpft. Körperorientierte und averbale Methoden haben sich bewährt – oft in Kombination mit sozialer Arbeit, Therapie und Beratung.
So kannst du Kinder nach traumatischen Erlebnissen unterstützen
Nicht alle Kinder, die sexuell missbraucht wurden, entwickeln auffällige Symptome. Aber für alle Kinder ist es ausnahmslos gut, wenn du
- sie freundlich und zuverlässig begleitest,
- das Schlimme aushalten kannst,
- sachlich und neutral bleibst,
- zuhörst,
- Glauben schenkst (bis hin zu Parteilichkeit),
- Verlässlichkeit anbietest,
- Selbstwirksamkeit förderst,
- die Metaebene einnehmen kannst,
- glaubwürdig handelst, zum Beispiel indem das, was du sagst, und das, was du tust, übereinstimmen,
- dir Rückhalt und Hilfe holst.
Wir setzen diese Werte ganz konkret dem erlebten Verrat entgegen, am besten in korrigierenden Beziehungserfahrungen. Denn diese Beziehungen sind der Ort, an dem Kinder sich geehrt und beschützt fühlen. Hier nehmen sie ihre Entwicklung zu selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten auf. Kinder und Jugendliche haben gute Chancen, sexuellen Missbrauch zu verarbeiten – ohne Langzeitfolgen. Wenn wir ihnen glauben, wenn wir sie vor weiteren Übergriffen schützen und wenn sie die notwendige Hilfe haben.
Heute handeln: Sofortige, einfache Schritte, die Eltern, Angehörige und Fachkräfte umsetzen können
- Kinder ernst nehmen und ihnen zuhören
- Sicherstellen, dass Kinder sich angenommen und richtig fühlen
- Vertrauensvolle Beziehungen führen
Langfristig unterstützen: Prinzipien für die Begleitung traumatisierter Kinder
- Der gewissenhafte Umgang mit der verlorenen Sprache der Kinder (Umkehrbilder des Schweigens)
- Die heilende Rolle des Tastsinns und positive Assoziationen mit Berührung
- Halt und Orientierung geben (Positive Autorität, Vorgaben in Zeit und Raum)
Geschichten, die zeigen: Heilung ist möglich
Beispiel für einen Weg aus dem Trauma:
Ein junges Mädchen, das in seiner Jugend Missbrauch erlebt hat, findet als Erwachsene den Mut, mit ihrer Mutter darüber zu sprechen. Dieser Moment der Offenheit wird zu einem Wendepunkt. Später, während einer Therapie, wählt sie genau diese Szene als innere Ressource für Sicherheit und Vertrauen. So lernt sie, Nähe zuzulassen, ihrer Beziehung zu vertrauen und ihre Sexualität als positive Erfahrung zu empfinden. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass Kinder und Jugendliche in einem geschützten Raum über traumatische Erlebnisse sprechen können – und wie unterstützende Beziehungen zur Heilung beitragen können.
Stefans Weg in die Sicherheit:
Stefan, ein Junge, der nicht bei seiner Familie leben kann, weil sein Körper dort schon für Sex verkauft wurde, findet in einer vertrauensvollen Umgebung Geborgenheit. Statt weiter in Problemen zu versinken, lümmelt er entspannt auf einem Sofa, während er Spiele spielt und Bilderbücher anschaut. Als er schließlich den Mut fasst, über die Gewalt zu sprechen, die er erlebt hat, wird das Unrecht sichtbar. Dass er seine Geschichte offenlegt, bringt den Wendepunkt: Die Polizei ermittelt, und der Weg aus der Gefahr wird vollkommen.
Die wahren Begebenheiten zeigen anschaulich, wie eine beschützende Beziehung und ein sicherer Ort Kindern helfen können, das Schweigen zu brechen und Schritte in ein Leben jenseits von Missbrauch und Gewalt zu machen. Eltern und Fachkräfte haben dabei geholfen.
Ein Leitfaden, der dir Sicherheit gibt: Meine Buchempfehlung
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du helfen kannst, gibt es einen Ratgeber, der genau dafür geschrieben wurde.
Das Buch zeigt, was Eltern, Angehörige und auch soziale und therapeutische Fachkräfte tun können, damit Kinder sexuelle Übergriffe gut verarbeiten und die traumatischen Folgen gelindert werden. Sie können die Erfahrungen aus dem Buch praktisch mitnehmen und die Tipps und Prinzipien leicht auf den eigenen Bereich übertragen.
- Es bietet praktische Tipps, Prozess- und Erfahrungswissen, neues Know-how, Fallbeispiele und inneren Halt.
- Es ist wunderbar behutsam geschrieben – in einer schönen, fast poetischen Sprache.
- Es richtet sich an Fachkräfte und andere aufmerksame Menschen gleichermaßen.
Im Buch „Way Out“ verdeutlichen die oben genannten Beispiele eins der zwölf Prinzipien, die im Alltag, in Therapien oder Pädagogik heilende Wendungen ermöglichen. Diese universellen Umkehrbilder begegnen dem Trauma mit kraftvollen Gegenimpulsen und öffnen gesunde, lebensbejahende Perspektiven. Sie sind wie Schlüssel, wie Türöffner, die bei Missbrauch und Gewalt Wege zur Heilung und ins Leben weisen.
Stimmen von Leserinnen
„Ich bin begeistert über die feinsinnige Art.“
Dominique, Ergotherapeutin
„Ich finde das Buch unglaublich hilfreich. Vor allem was die therapeutische Haltung und bestimmte Dynamiken betrifft.“
Karina, Psychologin
„Es ist engagiert, gefühlvoll, wirkt sehr kompetent und überzeugend. Insgesamt ist es echt gelungen!“
Hanna, Elektroingenieurin
„Hui, ich bin sehr berührt. Das Thema Würde ist so gut herausgearbeitet und die Falldarstellung so behutsam geschildert! Ich bin erstaunt, wie so ein schockierendes Thema mit so großer Achtsamkeit beschrieben werden kann.“
Bettina, Kunsttherapeutin
„Vielen herzlichen Dank für das wunderbare Buch. Bald bin ich am Ende und ich finde den Schreibstil trotz der schlimmen Thematik einfach toll. Sensibel, witzig, klug, empathisch, informativ, berührend … einfach sehr, sehr gut.“
Silvia, Familienmutter
„Das Buch empfehle ich sehr gerne. Es gibt nichts Vergleichbares und unterstützt mich wirklich in diesem Bereich. Sätze daraus begleiten mich, Kapitel haben mich achtsamer, aufmerksamer gemacht, das Buch steht griffbereit im Regal, es gibt mir Sicherheit, wenn ein kleiner Mensch seine Hand ausstreckt und die Situation plötzlich da ist.“
Martina, Kunsttherapeutin
Fazit: Gemeinsam für eine sichere Zukunft unserer Kinder
Das Buch Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder zeigt, dass Heilung nach traumatischen Erfahrungen möglich ist – in tragenden Beziehungen, geschützten Räumen und durch konkrete Unterstützung im Alltag. Sexuell missbrauchte Kinder brauchen Erwachsene, die ihnen glauben, Schutz bieten und den Mut haben, das Unausgesprochene sichtbar zu machen.
Mit neuen Kenntnissen aus der qualitativen Sozialforschung ist dieses Buch ein wertvoller Beitrag für Menschen, die anderen dabei helfen, Missbrauch zu bewältigen und neue Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben zu öffnen.
Es bietet praktische Leitlinien und eindrückliche Fallbeispiele, die verdeutlichen, wie Erwachsene Kindern helfen können, nachklingende Schrecken hinter sich zu lassen. Der Fokus liegt dabei auf zwei zentralen Elementen: dem behutsamen Umgang mit der verlorenen Sprache der Kinder und der heilenden Kraft des Tastsinns.
- Jeder kann etwas tun, um Kindern zu helfen.
- Es gibt Hoffnung und klare Wege, Traumata zu lindern.
Ich lade dich ein, direkt aktiv zu werden: Wenn du willst, lies das Buch, teil dein Wissen und trag dazu bei, die Welt für Kinder sicherer zu machen. Hier kannst du das Buch direkt beim Verlag bestellen.
Ganz am Ende des Buchs sind die wichtigsten Tipps und Informationen für Menschen, die Verantwortung für verletzte Kinder haben, in einem Block zusammengefasst und leicht zu finden.
Du siehst auf einen Blick die ersten Schritte, die du umsetzen kannst. Im Buch stehen sie unter der Überschrift: Die Mini-Farm, unterteilt in A Wenn ein Kind sich mir anvertraut … und B So geben Sie Kindern einen sicheren Rahmen. Diese Texte aktualisiere ich hin und wieder. Sie sind auch online zu finden, in zwei Blogartikeln auf meiner Webseite: Mein Erste-Hilfe-Ratgeber und Mein Fürsorge-ABC.
Über die Autorin
Andrea Brummack ist Fachautorin, freie Kinderschutzbeauftragte, Sachverständige in Fragen sexualisierter Gewalt und Trainerin für Body Skills. Sie hat ein Studium der Kunsttherapie mit dem Diplom abgeschlossen und hilft Menschen, sexuelle Übergriffe zu bewältigen.
Ihr Buch Way Out: Sichere Hilfe für missbrauchte Kinder. Was hilft und was heilt ist beim Springer-Verlag Berlin/Heidelberg erschienen. Sie lebt derzeit in einem Dorf bei Stuttgart, glaubt an die tägliche Portion Stille und liebt gut gemachte Krimis, in denen die Bösen ihr Fett ab kriegen. Ohne Glitzer.
„Meine Vision ist eine neue Generation von sozialen Fachkräften, die leicht mit sexuellem Missbrauch umgehen. Ich wünsche mir lebendige Beziehungen im Kinderschutz. Und ich verstehe, dass sozialpädagogische Fachkräfte ihre Arbeit lieben – auch wenn der Stress gewaltig ist. Weil da diese Kinder sind. Diese kleinen, unverfälschten Menschen.“